Zwei Stelen stehen schon

"Jetzt hat Crailsheim ein Fotomotiv mehr", freute sich Dekan Winfried Dalferth, als er mit vielen Besuchern, Politikern, Geistlichen und Bildhauer Rudolf Kurz die ersten Stelen des Reformationswegs eröffnete.

Die Geschwindigkeit spricht für sich - und für den Reformationsweg: 2009 erst kam die Idee auf, jetzt stehen schon die ersten Stelen. Überraschend schnell, wenn man bedenkt, dass hier drei Gemeinden zusammenarbeiten: die politische, die evangelische und die katholische. Auch das Konzept eines historischen Stadtrundgangs und die künstlerische Umsetzung von Bildhauer Rudolf mussten erst noch her. Offenbar ist die Zeit in Crailsheim reif für diesen Rundgang der besonderen Art.

Doch der Reihe nach: Die Reformation in Crailsheim - das sei ein Pfund, mit dem man wuchern sollte, meinte die SPD-Bundestagsabgeordnete Annette Sawade. Immerhin habe Crailsheim mit Adam Weiß einen eigenen Reformator, sei eine der frühen Stätten der Reformation. Sawade brachte also ihren guten Bekannten Lothar Tautz mit nach Crailsheim. Der stammt aus Thüringen, ist Bürgerrechtler, Pädagoge und Theologe (und abgesehen davon der Schwager der verstorbenen SPD-Politikerin Regine Hildebrandt) und versucht heute in der Lutherweg-Gesellschaft in Sachsen-Anhalt den Spuren des großen Reformators theologisch und touristisch nachzuspüren. Ob Ähnliches auch in Crailsheim möglich wäre? Das war vor vier Jahren.

Die Anregung fiel auf fruchtbaren Boden, entwickelte eine Eigendynamik - und seit gestern stehen die ersten beiden Stelen des "Crailsheimer Reformationswegs", der in der Zwischenzeit Namen, Konzept und viele Spender gefunden hat.

"So etwas kann nur gemeinsam gehen", sagte Dekan Winfried Dalferth. Bei der Eröffnung stand er neben seinem katholischen Kollegen Thomas Hertlein. "Der Rundgang zeigt die Bedeutung der Reformation für beide Kirchen", so Dalferth. "Nur wenn ich mich mit der anderen Position beschäftige, kann ich sie kennen, nur dann kann ich tolerant sein", sagte Hertlein dazu. Das setze ein klares evangelisches und ein klares katholisches Profil voraus, fügte Dalferth an, der wie zum Beweis, dass sich beide Kirchen näher sind als viele glauben, im Gottesdienst ein Lied hatte singen lassen, das aus Crailsheim stammt. "Es ist sozusagen unser Lied im Gesangbuch", sagte Dalferth. Es wurde 1480 niedergeschrieben vom Crailsheimer Pfarrer Johannes Sattler, ist damit vorreformatorisch und findet sich auch im katholischen Gesangbuch. Es ist das Himmelfahrtslied "Christ fuhr gen Himmel" (EGB Nr. 120). Und deshalb ist es für die Arbeitsgemeinschaft "Reformationsweg" auch ganz klar, dass der Rundgang zwar an der Johanneskirche beginnt, dass eine der zwölf Stationen aber auch an der katholischen Bonifatiuskirche errichtet wird.

Wann ist unklar. Es fehlt Geld. Dalferth ist aber zuversichtlich, dass der komplette Rundgang 2015 eingeweiht werden kann. Dann will vielleicht Annette Sawade wieder mit einem Gast kommen: "Ich habe mit Margot Käßmann Kontakt aufgekommen", sagt die Abgeordnete. "Mal sehen, ob"s klappt."

Bericht und Foto: Hohenloher Tagblatt, 10.05.2013, Ute Schäfer

Die Heiligenaltäre verschwanden und die Bücher kamen - Reformationsweg in

Von Susanne Müller (epd)

Die Crailsheimer Johanneskirche beherbergte zu Anfang des 16. Jahrhunderts 13 Altäre. Geblieben ist nur der große Passionsalter. Alle übrigen Heiligenaltäre sind durch die Reformation verschwunden. Dafür wurden Emporen in die Seitenschiffe der Kirche eingezogen und Kirchenstühle eingebaut. Man wanderte nicht mehr von Heiligenaltar zu Heiligenaltar, um dort jeweils den Zeitpunkt der Wandlung in der eucharistischen Feier zu erhaschen und so Heil zu sammeln. Man saß jetzt, und hörte auf das Wort Gottes, wie es der Pfarrer aus der Heiligen Schrift in einem für alle verständlichen Deutsch predigte.

Die Reformation zog ein in Crailsheim, als Ende des Jahres 1521 Adam Weiß, der zuletzt Theologieprofessor in Mainz gewesen war, als Pfarrer nach Crailsheim kam. Die Ansbacher Markgrafen hatten ihn geholt. An diese frühe Reformationsgeschichte erinnert der Crailsheimer Reformationsweg, dessen ersten beiden von später zwölf Stationen am Donnerstag eröffnet wurden. Er schlägt aber zugleich die Brücke in die Gegenwart: Welche Impulse der Reformation sollten heute das gesellschaftliche Leben mitprägen, damit es ein friedliches und gutes ist? In Crailsheim hatte Reformation nichts mit Bildersturm zu tun, auch wenn die Altäre verschwanden, sagte Stadtarchivar Folker Förtsch. Die Crailsheimer verkauften ihre überflüssig gewordenen Altäre. Man ging pragmatisch vor. Adam Weiß war kein Hitzkopf, sondern ein Mann von großer Bildung, die er auch weiterzugeben gewillt war. Davon zeugt die zweite Station des Weges.

An der «Liberei» auf der Südseite der Crailsheimer Johanneskirche erinnert eine Marmorstele des Bildhauers Rudolf Kurz daran, dass Weiß auch der Crailsheimer Schule vorstand und dass er mit seiner großen Bibliothek nicht nur für sich, sondern auch für die Crailsheimer Bürger «geistigen Durchblick» fördern wollte. Kurz hat bewusst die Stele mit den Marmorbüchern so durchbrochen, dass in den steinernen Regalfächern ein faszinierendes Lichtspiel entstehen kann. Kurz hob in seiner Eröffnungsrede hervor, dass der Weg drei «Väter» habe: katholische und evangelische Kirchengemeinde und die Stadt. Mit seinen Kunstwerken, die in Sandstein, Crailsheimer Muschelkalk und Marmor entstehen, wolle er Impulse liefern, sich die bis heute gültigen Inhalte der Reformation zu erarbeiten. Bildung und Kunst, die Spannung zwischen Freiheit und Obrigkeit, das Armenwesen und Migration, das Verhältnis zum Judentum und die Verbindungen zwischen Reformation und Demokratie sind Themen der künftigen Stationen. Der Crailsheimer Oberbürgermeister Rudolf Michl (SPD) sieht vor allem die Auftaktstele des Weges als Symbol für Freiheit und Verantwortung. Die Postulate der Reformation, die an der ersten Stele dokumentiert sind, forderten, sich allein auf den Glauben, allein auf die Bibel, allein auf Christus und allein auf die Grade zu verlassen. Das ist eine Absage an Heiligenkult und menschliches oberstes Lehramt. Michl sagte, dies sei aber auch ein Anspruch an die Verantwortung jedes Einzelnen und verlange, mit einem großen Maß an Freiheit umgehen zu können.

Auch der Crailsheimer evangelische Dekan Winfried Dalferth verwies auf die gemeinsame Aufgabe der Konfessionen und zugleich aller Religionen, zum Frieden in der Gesellschaft beizutragen. Der neu eröffnete Weg weise exemplarisch darauf hin. (1003/09.05.2013

 

«Crailsheimer Reformationsweg» dokumentiert gemeinsame Verantwortung der Konfessionen

epd Südwest aktuell Nr. 38/13.05.13

Die evangelische und die katholische Kirchengemeinde in Crailsheim und die Stadt haben am Himmelfahrtstag die ersten beiden Stationen eines im Endausbau zwölf Stationen umfassenden «Crailsheimer Reformationswegs» eröffnet. Das Projekt veranschauliche eine neue Dimension des ökumenischen Miteinanders und verweise auf die gemeinsame Verantwortung von Konfessionen und Kommune für Frieden in der Gesellschaft, sagte der evangelische Crailsheimer Dekan Winfried Dalferth bei der Eröffnung.

Der «Crailsheimer Reformationsweg» kombiniert ausgehend von einer ersten Stele von der evangelischen Johanneskirche auf einem Rundweg durch die Stadt Themen der Reformation mit dem Bezug zur heutigen Gesellschaft. Er nimmt dabei örtliche Besonderheiten Crailsheims auf, wo schon 1522 der Reformator Adam Weiß (1490 bis 1534) deutsch gepredigt hatte und das Abendmahl in protestantischer Form von Brot und Wein und nicht nur als Hostie für die Gläubigen wie in der katholischen Kirche austeilte. Die Kunstwerke, die die Stationen markieren, wurden von dem Bildhauer Rudolf Kurz geschaffen. Jede Station wird von einer Bronzetafel mit erläuterndem Text ergänzt. Die erste Station erinnert an die Grundlagen des protestantischen Verständnisses, dass außer dem Glauben, der Bibel, der Konzentration auf Jesus Christus und der Gnade Gottes nichts nötig ist, um erlöst zu werden. Dies hatte beispielsweise auch auf die Gestaltung der Kirchenräume Auswirkung, aus denen Heiligenaltäre entfernt und Kanzeln für die Prediger eingebaut wurden.

Der Weg sei auch ein Appell, Freiheit verantwortlich zu gestalten, sagte der Crailsheimer Oberbürgermeister Rudolf Michl (SPD) bei der Eröffnung. Der Crailsheimer Reformationsweg soll bis zum Reformationsjubiläum 2017 komplett sein. (1002/09.05.2013)