Stadt Crailsheim kann sich jetzt mit einem kirchlichen Gütesiegel schmücken

Was hat Adam Weiß gelesen? Das zeigen die Bücher des Reformators, die Oberbürgermeister Rudolf Michl (links) und Dekan Dr. Winfried Dalferth hier studieren. Fotograf: Ute Schäfer

 

Crailsheim darf sich jetzt "Reformationsstadt Europas" nennen - mit 20anderen Städten in Europa. Bürgerliche und kirchliche Gemeinden erhoffen sich dadurch eine bessere Wahrnehmung der Stadt in der Welt.

Das Thema Reformation ist für Crailsheim ein ganz besonderes. Das hat jetzt auch die Gemeinschaft evangelischer Kirchen Deutschlands (GEKE) gemerkt und hat die Stadt, zusammen mit Schwäbisch Hall und Tübingen als einzige in Baden-Württemberg zur "Reformationsstadt Europas" gekürt. Insgesamt gibt es bislang 21 Städte aus sieben Ländern, die das Logo tragen dürfen. In Deutschland sind es zehn Kommunen.

Klar, dass Hall und Tübingen dabei sind, meint der Crailsheimer Dekan Dr. Winfried Dalferth. "Aber dann kommen gleich wir. Da denken die Leute doch: Crailsheim? Huch!" Und um dieses "Huch" geht es ihm - auch dem Oberbürgermeister Rudolf Michl: "Wir werden nach wie vor in Baden-Württemberg nicht wahrgenommen", sagt das Stadtoberhaupt. Er ärgert sich noch heute darüber, dass sich keine der Stuttgarter Fraktionen in Crailsheim blicken ließ, als es um das Thema "200 Jahre Crailsheim in Baden-Württemberg" ging. "Dabei haben wir sie alle eingeladen." Aber kaum einer wisse um die Besonderheiten der Region, kaum einer in Stuttgart ahne, dass es in Crailsheim Pfunde gebe, mit denen man wuchern könne.

Wie zum Beispiel mit einer ganz frühen Reformation (siehe Info), die im Übrigen auch in einer Reformations-Broschüre des Landes keine Erwähnung finde. "Ist mal wieder typisch", sagt Dalferth, und Michl bestätigt, dass es überhaupt erst einer massiven Nachhilfe bedurft habe, bis Crailsheim überhaupt in Sachen Reformation wahrgenommen worden sei - und nun wohl auch einen Haltepunkt auf dem europäischen Stationenweg bekommen wird. Den vergibt die EKD, die evangelische Kirche Deutschlands. "Wir werden wahrscheinlich im April das endgültige Okay haben", sagt Dalferth.

Die Idee zur Bewerbung kam aus der Crailsheimer Arbeitsgemeinschaft "Lutherdekade". Doch warum ist Crailsheim nun zur "Reformationsstadt" geworden - unabhängig davon, dass die Stadt mit dem in Crailsheim gebürtigen Adam Weiß einen Pionier der Reformation vorzuweisen hat? Wichtig waren zwei Aspekte: Die Reformation muss damals von der jeweiligen Stadt ausgestrahlt haben - was in Crailsheim der Fall ist. Außerdem muss heute noch etwas zu sehen sein - was mit dem "Reformationsweg" ebenfalls erfüllt ist. Und nicht zuletzt gehe es ums Brückenbauen. Michl: "Dass hier die evangelische, die katholische und die bürgerliche Gemeinde an einem Strang ziehen, ist wichtig."

Mit dem Siegel "Reformationsstadt Europas" habe Crailsheim jetzt die Chance, über Hohenlohe hinaus in ganz Baden-Württemberg und sogar international wahrgenommen zu werden, sagt Dalferth.

Doch vor allem liegt es jetzt an den Beteiligten vor Ort, die gestiegene Wahrnehmung (also das "Huch") so zu lenken, dass es der Stadt nutzt. "Wir werden das Projekt jetzt im Gemeinderat vorstellen", sagt Michl, der sich zum Beispiel entsprechende Schilder am Ortseingang vorstellen kann.

Dass das Thema "Reformation" auch touristisch attraktiv ist, zeigt die Begeisterung, die der "Reformationsweg" weckt. Rudolf Michl: "Er ist noch nicht mal fertig, und wir haben schon viele Anfragen für Führungen."

Info Weitere Infos zu den europäischen Städten der Reformation gibt es hier: www.reformation-cities.org.

Crailsheim war den Hallern bei der Reformation voraus

Crailsheim war Vorreiter bei der Reformation. Und, das betonen die Crailsheimer gerne vor allem mit Blick auf Hall, sie waren früher dran als die Bürger der Nachbarstadt. Der Crailsheimer Reformator Adam Weiß predigte hier lange vor dem Haller Reformator Johannes Brenz auf die evangelische Art und Weise - nämlich wohl schon Ende 1521 (Luther hatte es sich als Junker Jörg da eben auf der Wartburg gemütlich gemacht und begann mit der Bibelübersetzung). Brenz hielt in Hall erst am 8. September 1522 seine Einführungspredigt. (Luther hatte die Wartburg da längst wieder verlassen, die erste Bibelübersetzung, das "Septembertestament", erschien bereits.) Und beim ersten "evangelischen" Abendmahl, bei dem die Teilnehmer sowohl Brot als auch Wein erhielten - dies wird oft als Abschluss des reformatorischen Prozesses gewertet - hatte Crailsheim die Nase vorn: In Crailsheim war das an Ostern 1526, in Hall an Weihnachten 1526. Der Aufstand der Bauern war da schon Geschichte. Die Bauern hatten sich im heutigen Landkreis Schwäbisch Hall im April 1525 gesammelt. Dennoch: Der Thesenanschlag vom Oktober 1517 war da noch keine zehn Jahre her. Die Reformation hatte sich rasend schnell ausgebreitet - erstaunlich vor allem, wenn man die Kommunikationswege damals bedenkt. uts

SWP

Autor: UTE SCHÄFER, 12.03.2015

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